Allgäu Blog
Macher, Schaffer, Unternehmungen und Ziele im AllgäuNeujahrsblasen – ein traditioneller Heischebrauch

Zwischen den Jahren morgens um halb acht, irgendwo im Allgäu. Es wird langsam hell draußen und tiefer Schnee dämpft jeden Laut. Selbst die Schneepflugfahrer scheinen heute länger zu schlafen. Schnell noch Tee kochen, Schnaps raus, die Schneeschaufel zur Hand und noch mit Vollgas den Weg frei räumen, denn sie werden kommen, und zwar ziemlich bald, und ziemlich viele – also zumindest bezogen auf die vorhanden Schnapsgläser … Pünktlich um acht Uhr hör ich sie schon lachend den Berg herab laufen …
… die Neujahrsbläser
Neujahrsblasen – ein traditioneller Heischebrauch
„Ein Heischebrauch ist ein Brauch, bei dem es um das Fordern oder Erbitten von Gaben geht. Eine Sonderform ist der Einkehrbrauch, bei der man sich in der Stube des Gastgebers bewirten lässt. “ Traditionell entstand das Neujahrsblasen im Mittelalter, als den Stadtpfeifern erlaubt wurde, an Neujahr mit dem Gang von Haus zu Haus das magere Gehalt aufzubessern. Das Neujahrsblasen im Alpenraum ist noch sehr stark verbreitet und fast eine Mischform des Heischebrauchs. Denn entweder kann man den kältetrotzenden Musikanten Tee mit Rum oder gleich nen Klaren anbieten, oder auch die Sammelbüchse zum klimpern bringen. Natürlich erst, nachdem das Ständchen gespielt wurde, und die guten Wünsche zum neuen Jahr per Handschlag überbracht wurden.
Bei Wind und Wetter
Heut wird es ein grandioser Wintertag, im Gegensatz zu gestern, als der Sturm den Eisregen quer übers Land peitschte. Aber die Mädels und Jungs von der Musikkapelle kennen da nix. Es wird gelaufen, und notfalls eben mehr von innen gewärmt. Ich hab mir sagen lassen, daß das Neujahrsblasen-Heischebrauch-Event auf gar keinen Fall verpasst werden darf. Das ist sowas wie der oberste Feiertag eines Musikanten.
Ham mer´s?
Heute ist es trocken, aber ziemlich eißig, weshalb die Blech-Blasinstrumente eingefrostet sind. Nachdem alle irgendwie um die Haustüre positioniert sind, fangen die Bläser an zu pusten, nämlich ins Instrument, um selbiges warm zu bekommen. Je größer das Teil, desto mehr „pust“. Kleininstrumentler und Schlagzeuger stehen derweil etwas feixend herum und treten sich die Beine warm. „Augen auf bei der Instrumentenwahl“ – die Aussage desTrommlers Dann kommt die kurze, knappe Ansage des Dirigenten, oder nennen wir ihn Startschußgeber: „Ham mer´s? Dann pack mer´s“. „Aber schnell“ fügte der Herr mit dem dicken Blechteil hinzu …
Spaß und Begeisterung
Also die Truppe dieses Jahr war wirklich der Knaller. Gut drauf, lustig, engagiert und mit Begeisterung – und das morgens um 8 Uhr. Da sich die Musikkapelle Gestratz zum Neujahrsblasen in vier Gruppen aufteilt, freu ich mich schon darauf, wenn 2022 diese Formation wieder bei mir vorbei kommt. Nebenbei bemerkt: Die können auch richtig gut spielen!
Quintessenz
Das Geld wird für Jugendarbeit, neue Noten und Instrumente verwendet. Wenn ich seh, wieviel junge Menschen in der Blaskapelle engagiert sind, dann kann ich nur sagen:
Ein guter Brauch!
Auch wenn ich mit Schnaps am Morgen mein Problem hatte, ich hab einfach gleich diesen Text geschrieben, also wenn der Artikel etwas undurchsichtig ist, dann lags am Klaren!
Ein gutes und gesundes neues Jahr für Dich, Deine Ulli
Neujahrsblasen anno 1948 in München